Das Koordinatensystem eines Mixdowns

Der Mixdown ist die Königsdisziplin einer jeden Musikproduktion. Hier bekommt jedes Element seinen spezifischen Klang. Hier wird die Funktion und der Platz jedes Sounds im Mixdown festgelegt. Um diesen spezifischen Platz soll es im folgenden gehen.

Man kann sich den Gesamtklang wie einen Raum vorstellen, in dem alles passiert. Jedes einzelne Element bekommt seinen zugewiesenen Platz. Das betrifft das Panorama links oder rechts, das betrifft den Frequenzbereich Höhen oder Bässe (verkürzt gesagt), es betrifft die Tiefe des Raumes festgelegt durch einen hinzugefügten Reverb.

Man kann sich bei der Bearbeitung eines einzelnen Sounds ein Koordinatensystem vorstellen, innerhalb dessen man den Sound platziert. Das Stereo Klangbild ist ein wichtiges Merkmal eines Mixdowns. Es schafft Größe. Interessanterweise scheinen Musiktitel, die starke links/rechts Anteile aufweisen eine scheinbar höhere Lautheit zu besitzen, als Titel die bei gleichem Pegel nahezu mono sind.

Es ist sinnvoll Begleitinstrumente außerhalb der Mitte zu platzieren, damit genug Raum für die Instrumente ist, die unbedingt in die Mitte gehören. Hierzu zählt der Hauptgesang. Synthesizer oder Gitarren lassen der Stimme den gebührenden Platz in der Mitte, wenn wenn sie im Stereo Panorama platziert sind. Je mehr Instrumente gleichzeitig mit der Stimme aus der Mitte tönen, um so schwieriger wird es für sie sein sich durchzusetzen.

Ein Konkurrent der Stimmen-Frequenzen ist meistens die Snaredrum. Auch sie ist zwingend in der Mitte platziert und weist dabei ein ähnliches Frequenzspektrum wie die Stimme auf. Abhilfe kann die dritte Dimension schaffen, die tiefe des Raums. Reichere ich die Stimme mit etwas Reverb an, dann gerät der Klang aus der Front etwas in den virtuellen Raum hinein. Ähnliches git für die Snare. Sie wird sehr häufig mit einem Reverb bedacht, damit sie aus "der Tiefe des Raums" tönt.

Die meisten Reverb-Plug-Ins besitzen neben dem Regler für den Hall-Anteil einen Einsteller für das Pre-Delay. Dieser Parameter eignet sich gut, um die virtuelle Tiefe zu bestimmen. Weitere Parameter eines Reverbs sind natürlich die Größe des Raumes und ein zuschaltbarer Equalizer. Mit Reduzierung des Höhenanteil des Reverbs kann man sehr schön die Aufdringlichkeit dieses Effekts reduzieren.

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten einen Sound aus der Mitte in das Stereo-Panorama zu setzten.

Am besten funktioniert das Doppeln. Dabei wird das Instrument oder eine Stimme mehrmals absolut identisch aufgenommen und im Panorama links und rechts verteilt.

Dabei gilt: "Viel hilft viel". Je mehr Stimmen, um so besser. Das Ganze ergibt eine Art Chorus Effekt, der viel schöner als ein elektronisch erzeugter Chorus klingt.

Auch für Gitarren ist es typisch sie zu doppeln und links und rechts ins Panorama zu setzen.

Gedoppelte Stimmen/Instrumente funktionieren wie die Violinen eines Orchesters. Sie klingen deshalb so groß, weil sie alle minimal gegeneinander verstimmt sind.

Alternativ kann man Sounds mit psychoakustischen Effekten wie Chorus, Phaser oder Flanger aus der Mitte bringen. Auch für Synthesizer sind diese Effekte typisch. Ein Fender Rhodes klingt ohne Phaser nur halb so schön. Bei diesen Modulationseffekten ist allerdings Vorsicht geboten, da sie die Phasenlage eines Sounds links/rechts gegeneinander verschieben. Das kann zu Auslöschungen vor allem in Bassbereich führen.

Nun sind diese Betrachtungen natürlich auch von der musikalischen Ausrichtung abhängig. Beim Punk beispielsweise gelten sicherlich andere Gesetze. Hier sind alle Sounds super trocken und damit direkt "in your face".

Ein paar Anmerkungen zum Thema Frequenz Verteilung: Sounds die aus der selben Richtung tönen und im gleichen Frequenzspektrum spielen, verdecken sich zumindest teilweise gegenseitig. Die Ausprägung ist abhängig vom Grad der Übereinstimmung der jeweiligen Oberton Struktur und dem Lautstärke Verhältnis. Ein lauter Ton verdeckt einen leisen Ton derselben Frequenz.

Was kann man tun? Hier spielt das Arrangement eines Musiktitels bzw. die Auswahl der Sounds eine Rolle. Es gilt für jeden Moment zu entscheiden, welches Element am wichtigsten ist

Auch beim Layern (stapeln) von Synthesizer Sounds ist es ratsam darauf zu achten, welcher Sound welches Frequenzspektrum abdeckt. Die Layer ergänzen sich gut, wenn die Frequenzspektren unterschiedlich sind.

Mit einem Equalizer kann man die unnötigen Frequenzen eines Sounds reduzieren bzw. beseitigen.

Im Bassbereich ist das Bassdrum/Bass Thema relevant. Die Bassdrum spielt die immer gleich Frequenz beispielsweise 60 Hz+Obertöne bei ca. 1KHz-3KHZ. Der Bass spielt da herum je nach dem, welche Figur bzw. Tonart er bespielt.

Mit einem Kompressor kann man störende Überlagerungen reduzieren. Verwendet man die Side-Chain Funktion beim Bass, dann arbeitet der Kompressor nur wenn die Bassdrum spielt.

Wie man sieht, gibt es ein ganze Reihe von Möglichkeiten einen einzelnen Sound im virtuellen Koordinatensystem zu platzieren und Geltung zu verschaffen. Entscheidend ist, dass man dieses Thema mit den entsprechenden Gestaltungschancen und Problemen vor Augen hat. Die digitale Audiotechnik bzw. eine DAW (Digital Audio Workstation) gibt dazu bisher nicht da gewesenen Möglichkeiten.

Stefan Noltemeyer

Photo Credit: Alexey Ruban

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Die feinen, gemeinen Resonanzen