Was KI Mastering nicht kann
Ich hatte unlängst ein paar Produktionen zu bearbeiten, die zuvor von einer KI gemastert wurden. Das war eine interessante Erfahrung, denn ich habe einen genaueren Eindruck davon erhalten, was KI Mastering nicht leisten kann.
1. KI kann keine Knack- Geräusche erkennen bzw. beseitigen.
Oftmals sind kleine, nicht selten sehr leise Knackgeräuche hörbar. Sie entstehen entweder durch Synchronfehler oder durch Nebengeräusche bei einer Vocal Aufnahme.
Identifiziert werden sie von einer entsprechenden Software als sehr kurze Transienten. Diese Software ist allerdings nicht in der Lage zu unterscheiden, ob es sich bei Transienten beispielsweise um eine Snaredrum oder ein Störgeräusch handelt. Die betreffenden Stellen müssen mit subjektiven Ohren identifiziert und händisch bearbeitet werden.
2. Eine KI erkennt keine Misverhältnisse im Mixdown.
Ich erhielt einen KI gemasterten Titel, indem der Gesang im Intro zu leise war. Solche Unzulänglichkeiten sind wenn überhaupt nur mit einem Griff in die Trickkiste zu kompensieren. Ich habe dem Produzenten empfohlen, noch einmal zurück in den Mix zu gehen.
Solche Änderungsvorschläge sind natürlich subjektiv. Aber sie sind ein wesentlicher Teil des Masterings.
3. Eine KI erkennt keine subtilen Resonanzen.
Resonanzen entstehen durch Überhöhung einzelner, meist schmalbandiger Frequenzbänder.
Man benötigt einen steilflankigen Filter, gespitzte Ohren und etwas Geduld, um sie zu erkennen und zu beseitigen. Das Resultat ist ein "lupenreiner" Sound.
4. Eine KI erkennt keine temporären Phasenauslöschungen.
Phasenauslöschungen werden relevent, wenn sie im Bassbereich der Stereoinformtion aufzufinden sind. Die Folge ist ein undiffenziertes Bass-Fundament und ein Gesamtsound, der nicht monokompatibel ist. Die Frage, ob beispielsweise der Chorus auf einem Bass bleiben soll oder nicht, muss am Ende auch subjektiv entschieden werden. Aufgabe des Masterings ist es auf jeden Fall, auf solch ein Problem hinzuweisen.
5. Eine KI erkennt nicht, wenn links und rechts vertauscht sind.
Im Ablauf des Masterings eines Albums fiel mir auf, dass bei einem Titel die Verteilung der Instrumente im Stereo-Panorama anders war als bei allen anderen Songs. Nach Absprache mit dem Produzenten habe ich L/R vertauscht.
6. Eine KI nimmt keine technische Bewertung vor.
Ähnlich wie beim Links/Rechts-Problem fiel mir bei einem Titel auf, dass er erheblich weniger Reverb aufwies, als alle anderen Songs. Das hat nichts mit Geschmack zu tun, sondern ist Teil einer technischen Beurteilung.
7. Eine KI kreiert keinen Spannungsbogen im Ablauf eines Albums.
Es ist möglich, mit Hilfe einer integralen Messung die Lauheit eines Titels zu ermitteln und automatisch festzusetzen. Eine technische Messung hat jedoch ihre Tücken. Auch wenn ein Titel genau wie ein anderer beispielsweise eine gemessene Lautheit von -14 LUFS aufweist, können beide sehr unterschiedlich wirken, wenn sie ein unterschiedliches Arrangement haben. Lange, sehr leise Abschnitte verfälschen eine Messung. Letzten Endes bleibt nur eine subjektive Beurteilung der Lautheit. Eine Ballade solllte z.B. auch dynamischer gemastert werden als ein Rocksong.
8. Eine KI verwendet kein analoges Equipment.
Die analoge Röhrenverstärkung eines Tube-Tech Kompressors, die Bandsättgung eines originalen Studer Tape-Masterings, der Charakter eines R-C Glieds des Avalon Equalizers geben einem Sound einen einzigartigen Charakter, also die Schokostreusel auf der Sahnetorte. Genau das macht professionelles Mastering aus.
Stefan Noltemeyer
E-Mail: stefan@human-mastering.com
Photo Credit: Michael Dziedzic