(ziemlich) alles über Stem Mastering
In der direkten Übersetzung aus dem Englischen bedeutet „Stem“: Halm, Baumstamm oder Stiel.
In der Tonstudio Technik versteht man unter einem Stem eine einzelne Audiospur oder eine vorgemischte Subgruppe wie beispielsweise alle Spuren eines Schlagzeugs oder alle zusammen gefassten Chorspuren.
Für ein Stem-Mastering liegen dem Toningenieur mehrere Stems vor, die er einzeln bearbeiten kann. Nach der separaten Bearbeitung werden sie zu einer Summe zusammen geführt und als Stereo-Spur gemastert.
Erst die Digitalisierung der Musik schaffte dafür die Möglichkeiten. Wenn ein Musiktitel in einer DAW (digital audio workstation) entsteht, dann ist es kein Problem einzelne Spuren oder Spurengruppen zu extrahieren.
Das Stem-Mastering ist ein „Zwischending“ zwischen Mixdown und dem reinen Stereo-Mastering. Dieses Verfahren gibt dem Toningenieur erheblich weitreichendere Möglichkeiten den finalen Sound zu optimieren. Mit dem analogem High-End Equipment Equpment eines Mastering Studios können einzelne Elemente eines Mixdowns im Sound veredelt werden.
Schon die Aufteilung eines Mixdowns in eine Playback-Spur und einem Stem für die Gesangsspuren lassen erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten zu.
Der Ingenieur bekommt die Option, auf den Klang der Musik Einfluss zu nehmen, ohne auf eine mögliche Veränderung des Stimmensound Rücksicht nehmen zu müssen. Gerade in dem mittleren und hohen Frequenzbereich zwischen 1000 und 5000 Hz tummeln sich eine ganze Reihe von Instrumenten und Sounds, die mit einer Nachbearbeitung optimiert werden können. Die Snaredrum, die Hihat, die Gitarren, Synthesizer-Sounds oder auch der Kick der Bassdrum freuen sich über eine kleine Frequenz- Korrektur, ohne dass zwangsläufig die Stimme “schärfer” klingen wird.
Mit der Hauptstimme als einzelne Stem-Spur hat ein Toningenieur die Möglichkeit den Klang der Stimme zu gestalten. Gerade im weiten Feld der Popmusik und im HipHop prägt der Stimmensound maßgeblich den Gesamtklang eines Musiktitels. In einem Mastering- Studio steht für diese Aufgabe externes analoges Equipment zur Verfügung. Hochwertige analoge Equalizer und Kompressoren können der Stimme einen harmonischen, druckvollen und schönen Klang verleihen.
Die Stimmenspur wird praktisch als Einzelspur gemastert.
An dieser Stelle ergeben sich zwei häufig gestellte Fragen:
Soll eine Stimmenspur als Stem alle Bearbeitungen und Effekte enthalten, oder soll sie möglichst unbearbeitet sein ?
Sollte die Hauptstimme und die Chorstimmen von einander getrennt sein ?
Woher weiß der Toningenieur wir ich mir den Stimmensound vorstelle ?
Ist Stem Mastering auch für EDM geeignet?
Wie viele Stems sind notwendig/sinnvoll?
Zu 1:
Je unbearbeiteter und trockener die Stem-Spur ist, um so besser sind die Eingriffsmöglichkeiten. Es ist hilfreich, den Stimmensound möglichst original, ohne jegliche Vorbehandlung zu mastern. Das betrifft auch jeglichen Hall Anteil.
Beim Stem-Mastering wird das Effekt-Setting neu aufgebaut, um auf die Dimensionierung der Effekte Einfuss nehmen zu können. Mit dem neue Setting bekommt der Mastering-Ingenieur die Möglichkeit einer Überbetonung der Effekte durch Komprimierung der Spur entgegen zu wirken und natürlich auch den Klang der Effekte an sich zu optimieren. Ein komplett fertige Mix des Produzenten sollte als Orientierung für die geschmacklichen Vorstellungen dienen
Alternativ kann man den reinen Effekt-Return als einzelne Stem-Spur zur Verfügung zu stellen. Damit ist sicher gestellt, dass der Effekt-Sound an sich exakt bleibt wie er ist.
Die Reduzierung der scharfen “S” Laute ist in nahezu jeder Vocal Aufnehmen ein Thema. Neben dem Einsatz von De-Essern mit den passenden Einstellungen kann es notwendig sein, einzelnen Problemstellen separat zu bearbeiten.
Die Ausnahme der Regel: Wenn die Stimme einen sehr speziellen Effekt enthält, der nicht einfach reproduzierbar ist, dann ist es sinnvoll die Stimmen mit eben diesem Effekt als Stem zu belassen. Stottereffekte. Modulationseffekte, Rückwärtseffekte, die in Stunden langer Kleinarbeit erstellt wurden, sollten so bleiben, wie sie arrangiert wurden. Ähnliches gilt für Autotune; Wurde die Intonation in mühevoller Arbeit korrigiert, dann sollte das Ergebnis bleiben, wie es ist.
Diese zum Teil sehr diffizile Arbeit ist (normalerweise) nicht Bestandteil einer Mastering-Session.
Zu 2.
In den meisten Fällen ist es notwendig und sinnvoll, die Hauptstimme von den Chorstimmen getrennt zu bearbeiten. Da sie ein gänzlich unterschiedliche Funktion in einem Musiktitel haben, werden sie auch unterschiedlich bearbeitet, um ein möglichst perfekten Sound zu erhalten.
Hiphop Produktionen enthalten oftmals eine größere Anzahl von Stimmenspuren. Sie können sich aufteilen in: Hauptstimme, Dopplungen, Backups, ein gesungener Refrain mit mehreren Chorstimmen und Adlips.
Eine Verteilung dieser Stimmen in mehrere Stems kann sinnvoll sein, um sie beim Mastering unterschiedlich bearbeiten zu können. In den meisten Fällen wird es ausreichend sein, eine Unterteilung in Hauptspur und „Rest-Stimmenspuren“ vorzunehmen. Wenn sich die Hauptstimmen auf mehrere unterschiedliche MC´s verteilt, dann sollte für jede Person ein Stem angelegt werden. Jede Stimme hat einen gänzlich unterschiedlichen Charakter, was Klangfarbe und Energie betrifft. So ist es nur logisch, dass das Setup für jede Stimme unterschiedlich sein wird.
Die Playbacks sind im Hiphop meist sehr Bass lastig. Ein Stem-Mastering ist auch vorteilhaft, um das richtige Verhältnis von Bass, Bassdrum, Stimmen und den restlichen Instrumenten zu formen.
Zu 3.
Es ist sinnvoll dem Toningenieur zusätzlich einen fertigen Mixdown an die Hand zu geben, um ihm eine Vorstellung zu vermitteln, welches Effekt Setting gewünscht wird und in wie weit die Stimme in das Playback eingebettet werden soll. Jeder Produzent wird für sich selbst einen Mixdown erstellt haben, um zunächst seine eigene Vorstellung zu realisieren. Der Einsatz von Reverb und Delay ist reine Geschmacksache. Diese Effekte prägen den Charakter eines Musiktitels nicht selten entscheidend. Deshalb sollte das Effekt-Setting sich an dem Original-Mixdown orientieren. Es ist (normalerweise) nicht die Aufgabe des Masterings, sich in das Arrangement einer Produktion einzumischen. Es sollte ausschließlich der Optimierung des Gesamtsounds dienen.
Zu 4.
In der Clubmusik, Techno, House usw. spielt die Bassdrum eine zentrale Rolle. Das perfekte Zusammenspiel von Bass und Bassdrum ist immer wieder eine Herausforderung.
Nicht selten ist Bassdrum das Instrument, welches den höchsten Pegel generiert und damit den Arbeitspunkt von Kompressor und Limiter in der Summe entscheidend beeinflusst. Die Bassdrum als einzelne Stem Spur gibt dem Mastering Ingenieur die Möglichkeit auf das Zusammenspiel von Bass und Bassdrum Einfluss zu nehmen, um den maximalen Punch zu erzeugen.
Mit der Bassdrum als Einzelspur kann man auch mit einer Sidechain Kompression auf den Bassbereich des Playbacks Einfluss nehmen. Mit einer extremen Einstellung ist es möglich ein Pumpen zu generieren, wie es aus dem „French-House“ bekannt ist.
Beim Bass finden sich meistens einzelne Töne, die sehr starke Resonanzen aufweisen und andere Töne, die kaum hörbar sind. Ohne die Bassdrum kann man das Playback inklusive des Bass kompensieren, ohne den Subbass der Kick zu beeinflussen.
Zu 5:
Die Frage in wie viele Stems ein Mixdown für ein Mastering aufzuteilen, hängt natürlich von der Musikproduktion an sich ab. Ein Unterteilung in Drums, Bass, Keyboards, Gitarren, Backing Vocals und Hauptvocals geben eine grobe Orientierung. Je mehr Stems ausgelagert werden, um so größer sind die Möglichkeiten zur Optimierung durch den Mastering-Ingenieur.
Grundsätzlich kann man sagen, dass sich ein Stem-Mastering immer dann anbietet, wenn die Bedingungen beim Mixdown nicht ideal sind. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Abhörsituation keine zweifelsfreie Abbildung der originalen Sounds bietet, oder wenn andere technische Unzulänglichkeiten im Mixdown nicht kompensiert werden konnten.
Bild: Will Francis